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04.06.2025

Ruhe im Großraumbüro: Sprachgeräusche reduzieren mit ISO 22955

Kaffeeduft liegt in der Luft, zwei Kolleg*innen besprechen das nächste Projekt – und Sie sollen sich auf eine komplexe Auswertung konzentrieren. In Großraumbüros treffen verschiedene Arbeitsstile aufeinander. Das bringt Vorteile, aber auch Herausforderungen mit sich. Vor allem die Akustik wird schnell zum Störfaktor.

Doch wie lassen sich Störgeräusche im Büro gezielt reduzieren, ohne die Offenheit des Raumkonzepts aufzugeben? Die ISO 22955 liefert praxisnahe Antworten – und wir zeigen, wie Sie sie in der akustischen Büroplanung konkret nutzen können.

Akustik in Großraumbüros – warum sie so entscheidend ist

In offenen Arbeitswelten sind Mitarbeitende deutlich häufiger Störgeräuschen ausgesetzt als in Einzelbüros. Telefongespräche, spontane Meetings, laufende Kaffeemaschinen – all das kann die Konzentration massiv stören.

Moderne Raumplanung setzt daher verstärkt auf akustische Zonierung: Bereiche für Austausch, Rückzug und Konzentration werden so aufgeteilt und gestaltet, dass sie sich gegenseitig nicht negativ beeinflussen. Genau hier setzt die ISO 22955 an.

Was ist die ISO 22955?

Die Norm ISO 22955 wurde 2021 veröffentlicht und ergänzt bestehende Regelwerke zur Büroakustik wie die ISO 3382-3 oder die VDI 2569. Sie richtet sich speziell an multifunktionale offene Bürolandschaften, in denen verschiedene Aktivitäten nebeneinander stattfinden.

Zentrales Element der Norm ist die sogenannte ortsabhängige akustische Abschwächung von Sprache (DA,S) – sie beschreibt, die Differenz zwischen dem Sprachschalldruckpegel an einem kommunikativen, lebhafteren Ort im Open Space und einem sensibleren Empfangspunkt im Büro, beispielsweise einem Einzelarbeitsplatz. Je nach Funktion der Bereiche (Kommunikation vs. Konzentration) empfiehlt die Norm unterschiedliche Zielwerte. Der maximale Richtwert liegt bei 32 dB (Kaffeeküche/Meeting Point vs. Fokusarbeitsplatz).

Welche Maßnahmen helfen wirklich?

In einem Beispielprojekt wurden unterschiedliche Maßnahmen zur akustischen Abschirmung simuliert – darunter einfache Vorhänge, mehrlagige Textilpaneele und Glastrennwände mit Türen. Das Ergebnis zeigt deutlich: Nicht jede Maßnahme ist gleich wirksam.

Die Erkenntnisse im Überblick:

Auch schallabsorbierende Decken wurden untersucht. Sie verbessern zwar die Nachhallzeit und die allgemeine raumakustische Situation, ersetzen jedoch keine gezielte Abschirmung zwischen Arbeitszonen.

Simulationsergebnisse im Überblick

„Heatmaps“ aus der akustischen Simulation zeigen, wie sich die verschiedenen Abschirmmaßnahmen konkret auf die Sprachdämpfung (DA,S) auswirken. Untersucht wurden je vier Varianten – jeweils mit und ohne schallabsorbierende Decke.

Die Ergebnisse:

Die Simulationen zeigen: Die Wahl der richtigen Barriere ist entscheidend – vor allem bei kurzen Distanzen zwischen lebhaften und sensiblen Bereichen. Während Vorhänge leichte bis mittlere Verbesserungen bringen können, hängt ihre Wirksamkeit stark von der Dichtheit der Funktionsfugen ab – ein nicht zu vernachlässigender Praxisfaktor.

Die effektivste Lösung war die Glaswand. Sie erfüllt die höchsten Anforderungen an die Büroakustik, widerspricht jedoch dem Prinzip eines flexiblen Open Space Designs.

Praktische Empfehlungen für die Büroplanung

Die akustische Gestaltung von Großraumbüros beginnt nicht mit dem Möbelkauf – sondern mit einem durchdachten Zonierungskonzept. Die folgenden Maßnahmen lassen sich aus den Simulationsergebnissen ableiten:

Klare Zonierung
Trennen Sie kommunikationsintensive Zonen (z. B. Teeküchen, Loungebereiche) räumlich von Bereichen für konzentriertes Arbeiten. Kommunikationsbereiche und Rückzugszonen sollten nicht direkt nebeneinander liegen. Pufferzonen mit geringer Geräuschempfindlichkeit helfen, Funktionskonflikte zu vermeiden.

Mobile Abschirmungen nutzen
Vorhänge oder Stellwände können helfen – vorausgesetzt, sie sind akustisch wirksam und sorgfältig montiert (inkl. Fugen- und Anschlussdetails).

Schallabsorption ergänzen
Akustikdecken verbessern die Gesamtsituation und sind eines der zentralen Elemente der Büroakustik – ersetzen aber keine Barrieren.

Normenbasierte Planung einsetzen
Die in-situ-Sprachdämpfung (DA,S) ist ein wesentlicher Planungsparameter der ISO 22955 – und ein wertvolles Instrument, um die akustische Qualität in offenen Bürolandschaften differenziert zu bewerten. Die Norm liefert praxisnahe Richtwerte und unterstützt die gezielte Abwägung zwischen Offenheit und Schutz vor Störungen.

Fazit

Gute Akustik braucht Planung und Orientierung an klaren Normvorgaben.
Mit vorausschauender Gestaltung, intelligent eingesetzten Maßnahmen und einer gewissen Büroetiquette können moderne, offene Bürolandschaften das sein, wofür sie gedacht sind: Orte der Kommunikation und des Teamworks, aber auch Rückzugsorte für konzentriertes Arbeiten – flexibel, anpassungsfähig und lebendig.

Dieser Beitrag basiert auf der Fachuntersuchung „Practical Application of ISO 22955 for Acoustic Design in Open-Plan Offices“ von Eva Wassermann (Müller-BBM Building Solutions GmbH), präsentiert auf der 51. Jahrestagung für Akustik (DAGA) am 20. März 2025 in Kopenhagen.

Lesen Sie hier das vollständige Paper zur ISO 22955 und Raumakustik in Großraumbüros.

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